Lyrische Sequenzen von Arnold Illhardt
Quarantäne
Wir leben in einer Box
Mit liebevoll bemalten Wänden
Gelebtes Leben in jedem Winkel
Regale und Schränke mit Gefühlen gefüllt
Gedanken fläzen sich auf Sofas und Sesseln
Wir leben frei von Macht und Gewalt
Antikapitalistisch und von Gesetzen verschont
Manchmal schauen Nin und Goldmann vorbei
Hesse und Bakunin besuchen uns auf einen Tee
Wir leben fleischlos und frönen dem Genuss
Häufig trunken von Leidenschaft und Lust
Und dann und wann verlassen wir unsere Box
Unser kleines Paradies von Bougainvillea umrankt
Schwimmen eine Weile mit im Strom
Begegnen all dem, was uns widerlich erscheint
Schon bald sind sie da, all die Zeichen
Einer leeren Zeit, gefühlskalt und öd
Alsbald flüchten wir zurück in unsere Box
Fast einer selbst gewählten Quarantäne gleich.
Einmalig
Ach Mensch
Ich vergaß, wie farbenfroh und fantastisch die Natur sein kann
Es war schon so selbstverständlich geworden
So dass es sich meinem Bewusstsein entzog
Ich übersah den romantischen Schein des Mondes
Schien er doch fast jede Nacht
Ich beachtete nicht mein Gesicht im Spiegel
War es doch so alltäglich geworden
Doch dann lernte ich, mit deinen Augen zu sehen
Alles gewann an Bedeutung
Und wurde
Einmalig.
holen wir uns die dunkelheit zurück
wir
ließen uns die dunkelheit nehmen
weil es
produktiver sei
die
nacht zum tag zu machen
das
allgegenwärtige licht
blendete unsere träume aus
all die
verrücktheiten
das
unmögliche
widerspenstige
und
verruchte
in der
nacht war man frei von den regeln
des
tages und der vernunft
holen
wir uns die dunkelheit zurück
Die Norm
Auf dem Speiseplan
Steht wie immer laffe Normativität
Lieblos dekoriert
Einfallslos garniert
Längst ist sie dir zuwider
Das geschmacklos gewürzte Gericht
Längst fehlt es ihm an Frische
Längst hat es deine Gesundheit ruiniert
Doch du verschlingst es
Mit Kritik, versteht sich.
Doch so änderst du nichts
Spuck es aus!
FLEISCH
FLEISCH IST
NATÜRLICH NORMAL UND NOTWENDIG
DIE ABSTRAKTION GELINGT
DIE EURE KINDER GLAUBEN MACHT
FLEISCH WACHSE AN DEN BÄUMEN
UND NIE WÄRE BLUT GEFLOSSEN
UND NIE HÄTTEN KÄLBER GESCHRIEN
UM EURE EDLEN GRILLE
MIT BILLIGFLEISCH ZU FÜLLN
EURE LEFZEN SPEICHELN
BEIM ANBLICK EINES LAMMS AUF THYMIAN
GARNIERT MIT GLEICHGÜLTIGKEIT
WAS SCHLACHTEN WAS STREICHELN
MAN IST WAS MAN ISST
Vergebliche
Suche
Was hab´ ich gesucht
Gewühlt und gegraben
Die Tücher gewendet
Den Staub weggewischt
Was hab ich gelesen
Recherchiert und
geblättert
Von hinten nach vorne
Und gegen den Strich
Was hab ich gedacht
Überlegt und gegrübelt
Mein Hirn durchforstet
Geschaut
und gefragt
Doch was ich fand
War Leere
Und kein bisschen
Menschenverstand
Hoffnung
Wenn alles zerfällt, in
Stücke zerbricht,
Leuchtet am Ende ein
blassblaues Licht.
Es heißt Hoffnung, und
stirbt, bevor sich der Rest zersetzt
...zuletzt.
Natürlich ist sie, die
Hoffnung, verliebt ins Gelingen;
Liebte sie das Scheitern, so
würd´ sie nichts bringen.
Andererseits verlängert sie,
aber hätt´man sonst eine Wahl?
…Die menschliche
Qual.
Glaubt man Nietzsche, so
kommt man ins Grübeln,
Ist sie das Übelste von fast
allen Übeln.
Sie ist Ohnmacht der Seele,
lässt Vernunft vermissen.
…Eben: Defizitäres
Wissen.
Doch egal wie man´s dreht,
so bleibt doch am Ende
zuvorderst der Wunsch nach
´ner glücklichen Wende.
Drum ist Hoffen Gold und
Verzweifeln viel schlimmer.
…Da lob ich mir
doch
den
Hoffnungsschimmer.
Frühling auf dem alten Nordfriedhof München
Ein unwirklicher Ort inmitten einer lauten Welt
In Schatten betagter Bäume, ein altes Gräberfeld.
Efeuumrankte Male, verwittert von der Zeit
Und dennoch unübersehbar Leben und Lebendigkeit.
Kinder spielen Fangen im Frühlingssonnenlicht
Sie hörten vom Tod, doch erwägen ihn nicht.
Drei alte Damen durchqueren scherzend den Park
Was sie an diesem Ort wohl so belustigen mag?
Jungen Frauen joggen mit anmut´ger Figur
Zwischen den Gräbern, hier ist ihr Parcours.
Vorbei an Menschen in Büchern versunken
In sich gekehrt und von Ruhe ganz trunken.
Auf einer Decke ein Paar, ganz vertieft in ihr Sein
Unendliche Liebe steht nebenan auf dem Stein.
Ach, machte man doch eine Ausnahme mir
Würd ich bald sterben, so begrabt mich gern hier.
Schaut ich nach oben, so wär es hier eben
Lebendiger als in manch wirklichem Leben.
Es ist Liebe
Die Poesie der Addition, Vorahnung einer Sensation
Beginnend mit einem Bild, beinah fragil, unendlich zart
Ein Anfang, Begegnung, Zukunft bald schon offenbart.
Die Mathematik des Seins, des Meins und des Deins
Die Summe von Eins und Eins ist mehr als nur Zwei
Differenzen vereinigt, fast schon einerlei.
Miteinander, Solidarität statt Rivalität
Immer wieder Neu statt sicheres Alt
Leben im Jetzt, statt immer nur bald.
Zeitloser Kommunismus, fast schon Anachronismus
Klarsicht vernebelt, gegen Vernunft resistent
profitlos, unkalkulierbares Element
Gesellschaftliche Essenz, mit steter Präsens
Störfaktor im kapitalistischen Getriebe
Wovon ich spreche, ist einfach nur Liebe.
Abendgebet
Habe ich ihn heute schon lobpriesen, DEINEN Namen, oh WACHSTUM?
Bist DU doch die sinnstiftende Instanz unser aller Leben.
Die Macht, die uns Brot gibt und unserem Sein ein irdenes Korsett.
Ohne DICH würden wir in Höhlen hausen,
Zu Fuß gehen und nur Rüben fressen.
Doch DU, gesegnet sei DEIN Antlitz, ermöglichst es uns
In Doppelhaushälften zu wohnen und Großraumwagen zu fahren.
DIR verdanken wir´s, zwischen Farfalle und Cannelonni wählen zu können.
Gegrüßest seist DU, WACHSTUM , unter all den menschlichen Errungenschaften,
Egal, welche Prozentzahl DEINES Fortschreitens die Ökonomen errechnen.
Was zählt ist, dass es stetig vorangeht,
Größer, Weiter, mehr, das ist die Devise.
Stillstand bedeutet Tod.
Wer DICH bekämpft, liebt den Menschen nicht.
DEIN Reich komme, wie im Himmel, so vor allem auf Erden.
Gebenedeit sei DEIN Name für alle Zeit.
Wir knien vor DIR nieder, oh DU goldenes Kalb,
Machen gerne uns DIR zum Untertan.
Denn DEIN Geleit auf allen unseren Wegen
Ist uns des Glückes Unterpfand.
DEIN verlässliches Gesetz des Mehr, der Grenzenlosigkeit,
zeigt uns stets Ziel und Richtung an.
Doch seit ein paar Tagen komm´n mir Zweifel
Meine Gesundheit zwingt mich stillzustehn.
Ich nehm die rosa Brille von den Augen
Um DICH, WACHSTUM, anzusehn.
Und da wird mir klar, ich bin DIR auf den Leim gegangen
Und noch was, sehe ich nun klar,
Dass auch des Menschen Dummheit oder ist es Blindheit?
Ohne Ende ist.
Liebessturm
Die Liebe, blinzelt trunken, verschmitzt
Aus zerwühlten Kissen, noch leicht erhitzt
Kam sie doch nächtens daher
Wie ein Gewitter am Meer.
Ich küsse deine Schulter, so warm, so weich
Federleicht und sinnenreich,
Der nicht enden wollende Moment streift sanft mein Gesicht
Wie ein Säuseln, zaghaft im Morgenlicht.
Weißt du noch, wir suchten die Liebe, ersehnten sie an Horizonten, viel zu fern.
Doch anstatt sie zu finden, fand sie uns und ich glaub, sie tat´s gern.
Und nun liegt sie da, selig lächelnd zwischen dir und mir
Allgegenwärtig und lebendig im Hier.
Die Zukunft verwandelt in jetzige Zeit
Illusionen verzaubert in Wirklichkeit.
Ich kann’s manchmal nicht glauben, so gewaltig, so nah
Utopie und Sehnsucht, was gestern war.
Nachts am Fluss
Wenn es Nacht wird und im Park gegenüber die Laternen aufglimmen
Wenn die letzten harten Jungs ihren Platz der runtergelassenen Scheiben mit durchdrehenden Reifen verlassen
Wenn die Kneipe um die Ecke die letzten lallenden Gäste ausspuckt
Wenn die Fledermäuse lautlos ihre Bahnen über unseren Köpfen ziehen und du dich immer fürchtest, sie verhedderten sich in deinem Haar
Wenn im Uferdickicht die Ratten emsig werden und sich die Fische an der Wasseroberfläche was glucksen, dann ist er da, der Moment der Momente.
Eine Zeit, voller Stille und Tiefe, eine Zeit, in der unsere Köpfe leuchten, Gedanken, die durch ihre Farben das Dunkle zum Singen bringen.
Während manche Ideen unter dem Haselnuss noch reifen, explodieren andere über der schlafenden Welt.
Giftgetränktes Umsturzsinniertes kriecht den Bösen unter die Decke, während sich die Guten vom Läuten der Freiheitsglocken traumtrunken die Augen reiben.
Komm, Liebchen, gieß noch mal zu, heut ist die Nacht der Nächte, heut schaffen wir den Morgen danach.
Manchmal möcht ich...
(..neulich nach der Lektüre der Tageszeitung)
Manchmal möcht ich brüllen, zündeln,
Revolutionäre Kräfte bündeln.
Möchte Leute an den Kragen packen,
Schütteln, bis die Knochen knacken.
Manchmal könnt ich wüten, stechen,
Eine Lanze für die Armen brechen.
Möchte schreiend um mich schlagen,
Ganz spontan den Aufstand wagen.
Manchmal möcht ich Bomben legen,
An dem Thron der Mächt´gen sägen.
Möchte kämpfen für die Sache,
Teils aus Wut und teils aus Rache.
Manchmal möcht ich kratzen, beißen,
demolieren, niederreißen.
Möchte kämpfen, Zähne zeigen,
Und den Reichen mal was geigen.
Manchmal möcht ich,
Doch dann denk ich.
Manchmal will ich,
Doch dann klärt´s sich.
…
Ich glaub, deswegen schreib ich.
Fassungslos
Was ist nur mit meiner Fassung los?
Ich wollt´ sie doch behalten, nun scheint sie verloren
Ein leeres Gefühl, die Stimmung erfroren.
Und im Hals ein zentnerschwerer Kloß.
Noch gestern tanzte ich froh, vom Glück verwahrt
Hab in Gedanken Kapriolen geschlagen
Wurde von sonniger Laune getragen
Doch heute: hat sie mit Elend sich gepaart.
Was ist passiert, wo liegt das Motiv?
Nicht mal nach Lust steht mir der Sinn
Und alle Lebendigkeit ist hin
Der ganze innere Frieden, der hängt schief.
Nun ring ich mit ihr, der Fassung in mir.
Dabei habe ich heute nur nachgedacht
Mir Gedanken über Zeit und Welt gemacht.
Und frag mich: Gibt´s für Nazis kein AntiVir?
CDU - Nachruf
Verachtet sei ihr Analogchristentum
Ihr
Hochglanz-So-Als-Ob-Demokratie-Getue
Ein
isomorpher Bund aus geklonten Mitläufern
Bibbernd vor Angst vor dem eigenen Schatten
Sie
verwaltet die deutschen Werte und Tugenden
Um
sie mit blasierter Ignoranz zu versilbern
Auf
ihre verblassten Fahnen streitet sie für Recht und Ordnung
Frönt
dem Wohlstand für Wenig, lobpreist die Elite
Sie
verliert sich ins Triviale, - zögert, wenn es drängt
Verwaltet Missstände, anstatt sie zu lösen
Sie
ist Meisterin im Vorbereitreden und des Bewahrens von Schein
Sabbernder Schoßhund der Bourgeoisie
Und
am Firmament leuchte die ewige Raute
Über
den obrigkeitshörigen Wegguckern
CeDeU, das ist der armselige Versuch
Die
eigene Unterworfenheit mit Orange zu kaschieren
Nach
und nach verschwand sie aus den Parlamenten
Und
man hat es nicht einmal bemerkt